TAGUNGEN in Wien und Budapest 2014 und 2015, sowie

Sammelband erschien 2016: 

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Einleitung

Máté, Tamáska - Csaba, Szabó


Es ist immer schwer, einen Titel für ein Sammelbuch zu finden. In diesem Fall war es jedoch leicht. Budapest und Wien sind nicht nur Hauptstädte, die nicht weit voneinander entfernt liegen, nicht nur zwei historische Metropolen, die in der Gründerzeit mit ähnlichen städtebaulichen Strukturen ausgestattetwurden, sondern auch Donaustädte. Die Donau als Landschaft imweiterenSinne kann hier auf mehreren Ebenen behandelt werden: sie ist morphologische Voraussetzung, architektonisches Element, soziale-wirtschaftliche Energie, aber auch Symbol, Anknüpfpunkt für Erinnerungen und Identitätenund sogar Schlüsselwort im Stadtmarketing. (Vgl. Rief-Vernay) Ein Vergleich der Zwillingstädte im Hinblick auf ihre"Donau-Stadt-Landschaften"drängte sich also aus mehreren Blickwinkeln auf. Die historischen, städtebaulichenund gesellschaftlichen Parallelen derSchwesterstädte ermöglichen es,sich mit Prozessenin der Stadt- und Landschaftsgeschichte auseinanderzusetzen und diese Prozesse besser zu verstehen.


Das Buch "Donau - Stadt - Landschaften" ist kein Forschungsbericht, sondern ein Anstoßzum Nachdenken. (Vgl. Winiwarter) Die hier präsentierten Aufsätze stammen aus Budapester und Wiener Forschungsstätten, die früher zwar nur wenig oder gar nichtzusammenarbeiteten, sich jedoch für sehr ähnliche Fragen interessierten: die Geschichte der Donauregulierung und der Kanalisation, die Ausprägung des Stadtbildes an der Donau, die soziale Entwicklung entlang der Bezirke direkt an der Donau. Ziel der Herausgeberschaft war es, eine Diskussion in Gang zu bringen. Ein Anliegen war es daher, möglichst viele Themenzu behandelnund unterschiedliche Disziplinen zur Mitarbeit einzuladen. Um die unterschiedlichenBlickpunkte von Geschichte, Geographie, Soziologie oder Architektur miteinander zu verknüpfen, wurden zwei Tagungen geplant und verwirklicht. Die erste fand in Wien (Gastgeber: Institut für Ungarische Geschichtsforschung in Wien am CollegiumHungaricum, 16.04.2014),


Die zweite in Budapest (Gastgeber: Österreichisches Kulturforum Budapest, 23-24.01.2015) statt. Die Tagungen waren Teil eines größeren Projektes, das die beiden Donaumetropolen Wien und Budapest aus städtebaulichen, sozialen und historischen Blickwinkeln miteinander vergleicht, um so Parallelen und Unterschiede in ihrer Entwicklung des 19. und 20. Jahrhunderts herausarbeiten zu können. Die Initiatoren des Projektes waren der Historiker CsabaSzabó (noch als Direktor des Instituts für Ungarische Geschichtsforschung in Wien am CollegiumHungaricum, 2010-2015) und der Architektursoziologe MátéTamáska(ELTE Universität). Die Tagungen wurdendurch eineFotoausstellung begleitet, die 2015 und 2016 zuerst in Wien im Rahmen der Reihe "Architektur im Ringturm" (Kurator MátéTamáska und Adolph Stiller) und dann in Budapest am Ausstellungsort VárkertBazár(Burggarten Basar)gezeigt wurde(Kataloge dazu: Máté Tamáska: Donaumetropolen, Wien Budapest, Stadträume der Gründerzeit, Müry Salzmann, Salzburg 2015). Das Institut für Ungarische Geschichtsforschung in Wien am CollegiumHungaricumplant, das Projekt weiterzuführen. Während die Ausstellung selbst ein breites Publikum ansprechen sollte, handelt es sich bei denvorliegenden Publikationen um eine Auswahl von aktuellen wissenschaftlichen Forschungsthemen. Die zwei Tagungen boten dabei die Möglichkeit, Interesse zu erwecken und Problemstellungen zu schärfenoder gar,gleiche Themen mit unterschiedlichen Ansätzen zu behandeln. (wie z. B. Kanalisation, vgl. Gierlinger, Sipos) Die Forscher brachten ihr eigenesInteresse mit, wodurcheinesehr lebhafte Diskussion rund um aktuelleForschungsfragen entstand.


Der Band spiegelt damit auch die unterschiedlichen Schwerpunkte der ungarischen und österreichischen Forschungsstätten wider. Auffallend ist beispielsweisedie vorwiegend ästhetisch orientierte Betrachtungsweise der Donaulandschaft in Budapest, während in Wien geomorphologische Überlegungen in den Vordergrund treten. Ohne verallgemeinern zu wollen, kann angenommen werden, dass dieseBesonderheitenauf die Unterschiedlichkeit der Stadtlandschaften zurückzuführen sind. Die Donau in Budapest erwarb ab der Gründerzeit eine starke repräsentative Funktion, die nicht mit der städtebauliche Rolle der Donau in Wien zu vergleichen ist. (Vgl. Mezős) Die Repräsentationsfunktion der Donau in der Stadtstruktur von Budapest kann dabei mit jener des Wiener Rings verglichen werden. Wie der Ring ist die Budapester Donauvon großenöffentlichen Gebäuden umgeben, die fast alle auch Teil eines ästhetisches-politisches Programms sind. Die Donau in Budapest und der Ring in Wien sind außerdem lineare Strukturen, die die Orientierung der Bewohner lenken.(Vgl.Szabó)Dabeisollte aber beachtet werden, dass sich die Städte ständig verändern. So ist die Donau im heutigen Wien immer mehr zu einer Trennlinie zwischen der historischen Stadt und den modernen Strukturen von "Trans-Danubien"geworden.(Vgl. Hauer)


In mehreren Beiträgen taucht das Thema der geplanten Weltausstellung Wien-Budapest (1995) auf, eine Ausstellung, die in beiden Städte direkt am Flussufer geplant war. Die Wende-Euphorie hielt aber nicht an, womit auch der Kooperation im Hinblick auf die Ausstellung ein Ende gesetzt war. Auf den nach der Expo-Planung frei gewordenen Gebieten entstanden daraufhin sowohl in Wien als auch in Budapest neue, zeitgenössische Stadtviertel direkt im Uferbereich. Auch in den neuen Vierteln sind die unterschiedlichen städtebaulichen, morphologischen und historischen Voraussetzungen der beiden Donau-Stadt-Landschaften wiederzuerkennen. In der Budapester Stadtsilhouette ist die Donau das Leitmotiv. Die alten und neuen Strukturen entlang der Donau bilden ein Gesamtbild. In Wien dagegen ist die neue Donaustadt von derhistorischenInnenstadt getrennt. Hochhäuserwie sie in Wien gebaut wurden, hätten in Budapest das historische Gleichgewicht der "Donau - Stadt - Landschaften" zerstört. Im südlichen Stadtentwicklungsgebiet von Budapestwird an die historischen Maßstäbeangeknüpft,zumindest was die Höhe der Gebäude am Wasser betrifft.


Dennoch gibt es aber auch viele Parallelen. So ist beispielsweisein beiden Städten eine Aufwertung des Ufergebietes, vor allem als Wohnbezirke, zu beobachten. (Vgl. Izsák, Halász-Váradi, Matznetter) Die Landschaftbringt dabei ein aktuell sehr wesentliches wirtschaftliches Potenzial mit. Andere historisch wichtige Wirtschaftsformen und Funktionen der Donau sind aber schon längst verloren gegangen. (Vgl.Géra) Ein wesentlicher Bestandteil alter Donaulandschaften waren nicht zuletzt die Wassermühlen. Die Wassermühlen mussten allerdingsam Ende des 19. Jahrhunderts mit Dampfmaschinen konkurrieren. (Vgl. Spitzbart-Glasl)Zudem befand sich Wien in einem starken Wettbewerb mit Budapest um den Markt der Getreidemühlen. Das bis ins 20. Jahrhundert von der Agrarwirtschaft geprägte Ungarn "fütterte" vor allem die Agrarunternehmen der jungen Hauptstadt Budapest und nicht jene im fernen kaiserlichen Wien. Die sogenannte Agrarurbanisation war eine Charakteristik der ungarischen Städte der Tiefebene. Jedoch auch die Stadtlandschaft von Budapest war stark von der Agrarwirtschaft gekennzeichnet. (Vgl. Gyáni) Die zentrale Markhalle, das Zollamt, Mühlen und Lagerhäusern hatten ihren Platz direktam Ufer. Der Rückzug der Industrie aus diesem Gebiet ist seit den dreißiger Jahren des 20. Jahrhundertszu beobachten. Die Abwanderung der Industrie von der unmittelbaren Donauzone hat ihre eigene Geschichte. Ein Beispiel dafürist die Abwanderung der Brauereien an den Stadtrand von Budapest, relativ weit weg von der Donau. Dieser Prozess war ein Anlass für den Ausbau, bzw. die Erweiterung der Kanalisation, die heuteeine Art unsichtbare Flusslandschaft darstellt.(Vgl. Pilsitz)


Auch in Wien ist die historische Industriezone am Fluss nicht mehr vorhanden. Industrie und Logistik verließen die Donauzonen zugunsten von Standorten, welche für die moderne Stadtentwicklung wichtig waren. Waren die "Donau - Stadt - Landschaften"vor hundert Jahren noch stark von der Industrie geprägt (der Fluss als Maschine), so gehen die heutigenBemühungen in RichtungErholung, Wohnen und Grünachsen.(Vgl. Békési, Hohensinner -Schmid, Kolundzsija; Kerékgyártó, Szerdahelyi-Németh) Die mit Parkanlagen ausgestatteten Inseln von Budapest konnten dabei auch als Vorbilder für die Wiener Stadtplanung dienen, die nach der zweiten Donauregulierung in den siebziger und achtziger Jahren nach einer Funktion für die Donauinsel suchte.(Vgl. Csizmadia)


Das Thema "Donau - Stadt - Landschaften" bietet viele Ansatzpunkte zumWeiterdenken. Ein denkbarer Weg ist ein Vergleich mit anderen Hauptstädten an der Donau wie beispielsweise Bratislava (Pressburg) oder auch Beograd (Belgrad), deren wichtigste Urbanisationsphasen jedoch nicht zeitgleich mitjenenvon Budapest und Wien stattfanden. Eine weitere Möglicheit wäre, die Mittel- und Kleinstädte an der Donau miteinzubeziehen. Auch wenn die Maßstäbe zwischen Stadt und Donau jeweilsdurchaus unterschiedlich sein können, ergibt sich die übergeordnete Frage, ob die Donaustädte ein allgemeingültiges Muster oder zu mindestens ähnliche Lösungen in der Urbanisierung der Flusslandschaft aufweisen? Eine dritte Problematik bilden die allgemeinen Parallelen in Hinsicht auf die Beziehungen zwischen Flusslandschaft und Großstadt auf. Dieses Thema wurde in den letzten Jahrzehnten sehr intensiv diskutiert. Dervorliegende Band will diese Diskussion weiterführen.

© 2020 TAMÁSKA MÁTÉ  
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